Berufsschule der Emigrierten, Scuola Professionale Emigrati SPE


Identifikation

Signatur:

Ar 429

Entstehungszeitraum / Laufzeit:

1974-2003

Umfang:

4 m


Kontext

Verwaltungsgeschichte / Biographische Angaben
Die Berufsschule der Emigrierten SPE wurde 1974 von Arbeiteremigranten aus Italien zusammen mit einer Schweizer Lehrergruppe in Zürich gegründet. Als juristische Form wählten die Gründer/-innen den Verein, damit die Schüler/-innen, damals ausschliesslich Erwachsene, die Möglichkeit bekämen, in Vereinsversammlung und Vorstand aktiv zu werden, zu lernen, demokratische Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse mitzugestalten und mitzubestimmen.

Da die Schulleitung bereits in einer anderen Schule gearbeitet hatte und bei den kantonalen Behörden aufgrund der dort realisierten pädagogischen Innovationen einen Bonus hatte, erhielt die SPE schon sechs Monate nach ihrer Gründung, das heisst im Mai 1975, die subventionsrechtliche Anerkennung der Volkswirtschaftsdirektion (VD) des Kantons Zürich und ein paar Monate später des Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA).

Die Abendschule war in sechs Berufszweige unterteilt und bekam drei Monate nach der Gründung Zugang zu den Berufsschulen (damals der Stadt Zürich). Dieser Schritt bedeutete für die italienische Berufsschule eine erste, vorerst räumliche Integration. In den nächsten Jahren wurden die drei Jahre dauernden berufsbegleitenden Lehrgänge auf die BIGA-Reglemente ausgerichtet, zusammen mit der Berufsschule der Stadt Zürich die Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung nach Art. 41 BBG (Berufsbildungsgesetz) organisiert und die Deutschkurse methodisch-didaktisch aufgebaut.

Nach dieser ersten Phase als Abendschule zeigte sich 1977, dass die sogenannte „zweite Ausländergeneration“ in manchen Fällen schulisch ungenügend vorbereitet war, um eine BIGA-Lehre zu absolvieren. Im Herbst gleichen Jahres eröffnete die SPE ihre Tagesschulabteilung mit folgenden Schwerpunkten:

- SPE-Uebergangsjahr (als 9. Schuljahr anerkannt von den Erziehungsdirektionen Zürich und Schaffhausen) mit 15 h Deutsch, 4 h allgemeinbildenden und 8 h berufsorientierenden Fächern pro Woche.

- SPE-Vorlehrjahr mit 20 h Praktikum in einem Betrieb als Vorlehrling, 9 h allgemeinbildenden und 8 h berufsorientierenden Fächern pro Woche. Anschluss: BIGA-Lehre (im Normalfall im Vorlehrbetrieb) gemäss Neigung und Eignung des Vorlehrlings. Die SPE war mit Berufsberatern, Eltern, den Schnupper- und Vorlehrplätzen bis zum Abschluss der Vorlehre in ständigem Kontakt.

Während der Lehre bot sie zweimal wöchentlich einen Stützkurs an, der es erlaubte, in der Lehre auftretende Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen und anzugehen. Ziel des Angebots war es, die jugendlichen Ausländer/-innen im Anspruch auf eine BIGA-Lehre den Schulabgänger/-innen einer lokalen Schule gleichzustellen. Deshalb musste der SPE der Brückenschlag zwischen der im Herkunftsland absolvierten Schule und der öffentlichen Berufsschule bzw. dem Ausbildungsplatz in einer Firma gelingen.

Die SPE wurde finanziert und beaufsichtigt durch die VD, das BIGA, das italienische Generalkonsulat und das Sozialamt der Stadt Zürich. Seit 1974 wurde die Schule zudem von einer paritätischen Aufsichtskommission überwacht (Präs. RA H.-J. Heitz, Winterthur). Gemäss einer Bestandesaufnahme der VD vom Januar 1989 wird „die SPE straff und sachkundig geführt“. Aus dem Visitationsbericht der Bezirksschulpflege Zürich (Schuljahr 1989/1990): „Die Lehrer sind kompetent und engagiert. Sie haben die schwierige Aufgabe, den Schülern aus verschiedenen Herkunftsländern einen vielseitigen Unterricht in Deutsch zu erteilen.“ Bericht Schuljahr 1990/1991: „Es wird viel Zeit investiert, um den Schülern Disziplin und Ordnung anzugewöhnen, weil ihnen das z.T. fremd ist. Die SPE ist eine gute und nötige Schule, sie verdient Lob und Anerkennung.“

Die SPE leistete mit ihren Lehrgängen einen sozialpräventiven Beitrag, der breite Anerkennung fand und nicht nur Italienern und Italienerinnen, sondern ausländischen Jugendlichen aller Nationen offen stand.

Der Schulbetrieb wurde 2003 eingestellt. Seit diesem Zeitpunkt betreibt der Trägerverein das Centro Consulenza Interculturale (Interkulturelle Beratungsstelle).
Übernahmemodalitäten
Der Bestand gelangte im März 2005 aus den Sekretariatsräumen an der Badenerstrasse 125 ins Schweizerische Sozialarchiv. Die Übernahme wurde von Schulleiter Luciano Persico betreut. Die Übergabe wurde vom Vereinsvorstand aufgrund des Projektes „Forschungspolitische Früherkennung B/43 1990 des Schweizerischen Wissenschaftsrates, Bern“ beschlossen.

Inhalt und innere Ordnung

Form und Inhalt
Der Bestand enthält: Protokolle, Korrespondenz, Schulungsunterlagen, Konzepte, Programme, Zeichnungen, Aufsätze, Bewerbungsmappen, Werbematerial, Adresslisten, Unterlagen zu Lehrpersonen und befreundeten Organisationen im Ausland, Diplome, Statistiken, Prüfungsunterlagen, Presseausschnitte, Reisetagebücher, Diaserien. Es ist zu beachten, dass die Reihenfolge der Titel von der SPE übernommen worden ist.
Neuzugänge
Es werden keine Neuzugänge erwartet.

Zugangs- und Benutzungsbedingungen

Zugangsbestimmungen
Der Bestand ist im Lesesaal des Schweizerischen Sozialarchivs ohne Benutzungsbeschränkungen einsehbar.
Sprache/Schrift
Unterlagen in deutscher und italienischer Sprache

Verzeichnungskontrolle

Informationen der Bearbeiter*in
Der Bestand wurde von C.S. im April 2005 bearbeitet und verzeichnet. Die definitive Überarbeitung und Kontrolle wurde durch die Berufsschule der Emigrierten SPE ausgeführt.