Verein Alternatives Lokalradio Zürich/Radio LoRa, Vereinsarchiv


Identifikation

Signatur:

Ar 700

Entstehungszeitraum / Laufzeit:

1980-2016

Umfang:

2 m


Kontext

Verwaltungsgeschichte / Biographische Angaben
Das Alternative Lokalradio Zürich (ALR) wurde 1977 gegründet. Der Verein ALR erhielt damals keine Sendekonzession, da drahtlose Lokalradios verboten waren. Im September 1981 sendete das Radio ohne offizielle Erlaubnis während drei Tagen aus dem Autonomen Jugendzentrum an der Limmatstrasse. Im Jahr 1983 erhielt das Radio schliesslich die offizielle Sendekonzession und sendet seit dem Sendebeginn am 14. November 1983 unter dem Namen Radio LoRa. Das erste Studio befand sich an der Mainaustrasse 34 im Zürcher Seefeld. Am 20. Dezember 1986 wurden die Studioräumlichkeiten durch einen unaufgeklärten Brandanschlag derart verwüstet, dass in einem Notstudio weitergesendet werden musste. Im Jahr 1990 zog das Radio an die Militärstrasse 87a im Zürcher Kreis 4 um. Im gleichen Jahre sendete das Radio erstmals ein durchgehendes Tagesprogramm und seit 1991 in Stereo. Das Radioprogramm wird bis heute in Freiwilligenarbeit durch Einzelpersonen und Redaktionsgruppen gestaltet. Bereits 1987 konnten die Frauen eine bezahlte Frauenstelle im Betrieb durchsetzen, die die Sendungsmacherinnen gezielt unterstützt. Dank dieser Änderung wuchs der Frauenanteil im LoRa und die Sendezeit der Macherinnen deutlich an. Die Frauenredaktion baute ihre autonomen Strukturen in den Folgejahren aus und ist bis in die Gegenwart für die Gestaltung eines eigenen Programmtags zuständig. Wurde zunächst fast aus-schliesslich auf (Schweizer-)Deutsch gesendet, wuchs der Anteil an nicht-deutschsprachigen Sendungen im Programm bereits im Laufe der 1980er Jahren kontinuierlich an. Damit wurde Radio LoRa ein wichtiger Informationskanal für migrantische Communities im Raum Zürich.

Die Finanzierung des Radios erfolgte bis 1996 ausschliesslich durch Mitgliederbeiträge und Spenden. Seit 1996 erhält Radio LoRa zudem Anteile aus dem Gebührensplitting. 1997 und 2002 fanden einschneidende Programmreformen statt. Am 14. November 2008 konnte das Radio LoRa sein 25-jähriges Jubiläum feiern, anlässlich dessen ein Film produziert wurde und eine Auswahl von historischen Drucksachen digitalisiert wurde. Seit den frühen 2000er Jahren beschäftigten Strukturdiskussionen die Gremien von Radio LoRa. 2002 wurden die Vereine ALR-Finanz und ALR-Produkt in einem Verein zusammengeführt. Strukturelle und betriebliche Reformpläne führten im Jahr 2011/2012 zu einem offenen Konflikt innerhalb des Vereins. Im Jahr 2019 wurde von der Mitgliederversammlung eine neue Struktur beschlossen: Die Stiftung Alternatives Lokalradio wurde aufgelöst und durch die Gründung einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft ersetzt. Der Verein blieb bestehen.

Eines der Gründungsmitglieder des Vereins Alternatives Lokalradio Zürich war Christoph Lindenmaier (1953-2009). Er fungierte in den ersten Jahren des Bestehens als Vereinspräsident und anschliessend als Mitglied in verschiedenen Gremien. In Eigenregie entwickelte er einen tragbaren, leicht bedienbaren Miniatursender, der von RadiopiratInnen in Zürich und darüber hinaus rege genutzt wurde und auch in Befreiungsbewegungen in Südafrika und Zentralamerika zum Einsatz kam. 1974 gründete Christoph Lindenmaier die Firma Red-El (Red Electronics – Gruppe für angewandte Elektronik). Zeitlebens war er als technischer Berater von Radio LoRa und vielen weiteren freien Radios im deutschsprachigen Raum tätig und war in der internationalen Szene der freien Radios gut vernetzt. Bis zu seinem Tod im Jahr 2009 fungierte er als Vorstandsmitglied des Verbands Unikom (Union nicht-kommerzorientierter Lokalradios) und setzte sich in dieser Funktion für eine progressive Medienpolitik und die finanziellen und technischen Anliegen der komplementären Radios ein.
Übernahmemodalitäten
Die Unterlagen des Vereins gelangten am 19.11.2021 ins Schweizerische Sozialarchiv. Die Übergabe wurde von Urs Kälin und Judith Grosse betreut. Die Unterlagen der ersten Jahre des Radios hatten sich bis 2012/13 im Widerstandsarchiv im Infoladen Kasama befunden und waren zu diesem Zweck bereits sortiert und in Kartons umgefüllt worden. Ein Verzeichnis wurde nicht erstellt. Anschliessend gingen sie zurück an den Verein und wurden zusammen mit dem sonstigen nicht mehr genutzten Aktenmaterial aus dem Betrieb in einem angemieteten Lagerraum gelagert.

Inhalt und innere Ordnung

Form und Inhalt
Der Bestand umfasst eine chronologische Sammlung wichtiger Dokumente zur Geschichte des Vereins Alternatives Lokalradio (bis 2016), darunter Protokolle der Gremien und der Betriebsgruppe, Jahresberichte und Selbstdarstellungen, Korrespondenz, Handakten einzelner Stellen, Radioprogramme, Unterlagen zu Projekten und Radiokursen, Werbematerial und Presseartikel über Radio LoRa sowie technische und bauliche Unterlagen. Das Material ist insgesamt lückenhaft. Separat abgelegt und ins Archiv aufgenommen wurden wichtige Dokumente der Frauenstelle/-redaktion «Die Hälfte des Äthers» (bis 2011).

Zudem umfasst der Bestand Handakten von Christoph Lindenmaier (bis 2008). Diese dokumentieren seine Aktivitäten für Radio LoRa auf organisatorischer und technischer Ebene sowie seine Arbeit für den Verband Unikom (Union nicht-kommerzorientierter Lokal-radios) und für weitere freie Radioprojekte in der Schweiz und im deutschsprachigen Raum. Die ursprüngliche Bezeichnung und Ordnung der Aktenordner wurden übernommen. Die Dokumente waren chronologisch abgelegt, ohne eine inhaltliche Trennung der verschiedenen genannten Arbeitsbereiche. Die Handakten stellen ergänzendes Material zum oftmals lückenhaften Vereinsarchiv dar.
Bewertung und Kassation
Die Dokumente waren in Ordner und Schachteln thematisch abgelegt. Kassiert wurden Dubletten sowie Buchhaltungs- und Personalakten. Die Wochen- und Tagesprogramme von 1983-1985 wurden komplett übernommen, ab 1986 erfolgte eine Auswahl (jeweils der gesamte Monat Oktober), die übrigen Dokumente wurden kassiert.
Neuzugänge
Es werden Neuzugänge erwartet.

Zugangs- und Benutzungsbedingungen

Zugangsbestimmungen
Der Bestand ist im Lesesaal des Schweizerischen Sozialarchivs ohne Benutzungsbeschränkungen einsehbar.
Sprache/Schrift
Unterlagen in deutscher Sprache, in geringem Umfang Dokumente in spanischer Sprache.

Sachverwandte Unterlagen

Verwandte Verzeichnungseinheiten
Veröffentlichungen

Verzeichnungskontrolle

Informationen der Bearbeiter*in
Der Bestand wurde im Herbst 2021 von Judith Grosse geordnet und verzeichnet.