Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB), Union syndicale suisse (USS)


Identifikation

Signatur:

Ar SGB

Entstehungszeitraum / Laufzeit:

ca. 1854-2020

Umfang:

154 m


Kontext

Abgebende Stelle
Schweizerischer Gewerkschaftsbund, Sekretariat, Monbijoustrasse 61, 3007 Bern
Verwaltungsgeschichte / Biographische Angaben
Der SGB ist die grösste und politisch bedeutendste Dachorganisation schweiz. Arbeitnehmerverbände. Im Nov. 1880 beschloss der Kongress des sog. Alten Schweizerischen Arbeiterbunds in Olten die Selbstauflösung und die Bildung einer reinen Gewerkschaftsorganisation. Aktiv wurde der SGB aber erst nach Genehmigung der Statuten und der Wahl des Vororts im April 1881. Weil die beschränkten Mittel vieler lokaler Gewerkschaften die Mitgliedschaft in drei übergeordneten Organisationen nicht zuliessen, stand der SGB in Konkurrenz sowohl zu den Zentralverbänden (Berufs- oder Industriegewerkschaften) als auch zu den Arbeiterunionen. Eine wesentl. Stärkung brachte 1891 die Eingliederung der Allg. schweiz. Arbeiterreservekasse, eines Streikfonds. Das innere Erstarken der Zentralverbände, die überdies zunehmend dem SGB beitraten, verschärfte die Kompetenzkonflikte. Diese Streitigkeiten und die Auseinandersetzungen um die Strategie, mit der der SGB auf die Konkurrenz durch die aufkommenden christl. Gewerkschaften reagieren sollte, bewirkten 1900-08 eine ständige Diskussion der Statuten. Zuerst ging es um die weltanschaul. Neutralität, die 1906 mit dem Bekenntnis zur Klassenkampf-Theorie aufgegeben wurde. Dann erfolgte die entscheidende Gewichtsverlagerung zu den Zentralverbänden, die 1906 die Funktionen der Reservekasse übernahmen und über den 1908 geschaffenen Gewerkschaftsausschuss, ein von ihren Funktionären dominiertes Parlament, den SGB kontrollierten. Dieser blieb als Dachverband organisatorisch und finanziell schwächer und hat keinen direkten Zugriff auf Einzelmitglieder. Ohne Unterstützung durch die Zentralverbände ist er seither handlungsunfähig. Den Bedeutungsverlust in der Gestaltung der industriellen Beziehungen konnte der SGB auf polit. Ebene kompensieren. Nachdem sich im Landesstreik 1918 die Stärke der freien Gewerkschaften gezeigt hatte, übernahm der SGB die Funktion des Neuen Schweiz. Arbeiterbunds als Repräsentant der Arbeiterschaft bei den Bundesbehörden; er entsandte fortan Vertreter in die Expertenkommissionen des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements und von den 1930er Jahren an auch in diejenigen der übrigen Departemente. Die Klassenkampftheorie verlor an Bedeutung und verschwand 1927 aus den Statuten. Zunehmend wurde der SGB als einer der vier Spitzenverbände (Verbände) der schweiz. Wirtschaft wahrgenommen und v.a. nach dem 2. Weltkrieg in tripartite Absprachen (Sozialpartnerschaft) einbezogen. Auch in Abstimmungskämpfen spielte er gelegentlich eine führende Rolle (z.B. Referendum gegen Lex Schulthess 1924, Kriseninitiative 1935); in der Blütezeit der Integration ins vorparlamentar. Verfahren verzichtete er aber fast ganz darauf und ergriff zwischen 1951 und 1974 kein Referendum. Der wirtschaftl. und gesellschaftl. Wandel erschwerte v.a. ab den 1970er Jahren die innere Konsensfindung und untergrub den Anspruch, die gesamte Arbeiterschaft zu repräsentieren; zunehmend fand sich der SGB in der Opposition, auf betriebl. Ebene gegen den Abbau kollektiver Regelung der Arbeitsbedingungen, auf politischer gegen die Einschnitte bei der sozialen Sicherheit.
Übernahmemodalitäten
Übernommen in zwei Lieferungen am 18.06.2022 und am 24.06.2019. Ein sehr umfangreicher Transport wurde von der Firma Nägeli Umzüge AG durchgeführt.

Inhalt und innere Ordnung

Form und Inhalt
Umfangreiches Verbandsarchiv. Die vorhandene Ordnung wurde weitestgehend beibehalten. Wie es scheint, wurden die Unterlagen beim SGB in Bern keiner archivischen Bewertung unterzogen, so dass die Akten teilweise redundant sind. Ferner sind Unterlagen von zahlreichen Kommissionen des Bundes vorhanden, die auch beim Schweizerischen Bundesarchiv archiviert sind. Zusätzlich zum Archiv des SGB sind weitere Provenienzbestände, teilweise Archivsplitter, vorhanden, beispielsweise Unterlagen der Arbeiterunion Bern, der deutschen Arbeitervereine in der Schweiz oder des Arbeiter-Frauen- und Töchterchors Burgdorf.

Ferner enthält das SGB-Archiv zwei Nachlassbestände, den Nachlass von Wenzel Holek (1864-1935) und Heinrich Holek (1885-1934), vom SGB verzeichnet unter der Signatur G 40, und den Nachlass Eduard Weckerle (1890-1956), verzeichnet unter der Signatur G 41.

Im Zeitverlauf wurde das Archiv des SGB anhand verschiedener Aktenpläne strukturiert, die je für gewisse Zeiträume gültig waren. Ab den 1990-er Jahren erfolgte die Verzeichnung von Archivmaterialien in einem Bibliothekssystem. Sämtliche Protokollserien wurden wie Zeitschriften verzeichnet und erhielten teilweise identische Signaturen (PE 437, PE 438). Einzelne Archivalien wurden in die Bibliothek des SGB integriert und erhielten auch entsprechende Signaturen (Signaturgruppe M). Der Bibliotheksbestand wurde im Juni 2019 separat verpackt. Er ist seither in einer benachbarten Liegenschaft deponiert und nicht ausgepackt. Die Bibliothekt enthält vom SGB zusammengestellte Dokumentationen sowie Referate von Zentralsekretärinnen und Zentralsekretären, die durchaus auch als Archivgut betrachtet werden können. Aufgrund dieser speziellen Rahmenbedingungen gestaltete sich die Aufbereitung der Unterlagen für eine effiziente Benutzung sehr aufwändig.
Bewertung und Kassation
Mit Ausnahme von Doubletten und Mehrfachexemplaren wurden keine Kassationen vorgenommen. Einige Korrespondenzen, die eindeutig dem SMUV zugeordnet werden konnten, wurden in den Archivbestand des SMUV integriert. Mit dem SGB-Archiv gelangten 2019 auch französisch- und italliensch-sprachige Gewerkschaftsblätterund ausländische Zeitschriften (IGB, etc.) ins Schweizerische Sozialarchiv. Ferner wurden diverse Sammlungen ins Sozialarchiv überführt, insbesondere Plakate, audiovisuelle Medien, Agitations- und Kampagnenmaterialien. Diese Unterlagen befinden sich aktuell teilweise noch in Bearbeitung.
Neuzugänge
Es werden Neuzugänge erwartet.

Zugangs- und Benutzungsbedingungen

Zugangsbestimmungen
Der Bestand ist im Lesesaal des Schweizerischen Sozialarchivs ohne Benutzungsbeschränkungen einsehbar.
Sprache/Schrift
Unterlagen primär in deutscher, französischer und italienischer Sprache.

Sachverwandte Unterlagen

Verwandte Verzeichnungseinheiten
Veröffentlichungen

Verzeichnungskontrolle

Informationen der Bearbeiter*in
Bearbeitet in den Jahren 2020-2022 von U. Kälin.